ZfIR 2017, 509

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln 1433-0172 Zeitschrift für Immobilienrecht ZfIR 2017 Rechtsprechung in LeitsätzenVertragsrechtBGB § 573 Abs. 1 Satz 1112. Voraussetzungen der Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen eines gemeinnützigen Interesses (hier: Einzug psychosozialer Einrichtung) des Vermieters BGB§ 573 BGH, Urt. v. 10.05.2017 – VIII ZR 292/15 (LG Rostock)BGHUrt.10.5.2017VIII ZR 292/15LG Rostock

Leitsätze des Gerichts:

1. Aus dem Umstand, dass der generalklauselartige Kündigungstatbestand des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB den in Absatz 2 dieser Vorschrift beispielhaft genannten Kündigungsgründen gleichgewichtig ist, folgt nicht, dass bestimmte – in Absatz 2 nicht aufgezählte – Fallgruppen eines Vermieterbedarfs von vornherein ein berechtigtes Interesse an der Kündigung des Mietverhältnisses begründeten (im Anschluss an Senatsurt. v. 29. 3. 2017 – VIII ZR 45/16, ZfIR 2017, 489 (m. Bespr. Brändle, S. 483) – in diesem Heft, Rz. 24, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
2. Die Beurteilung der Frage, ob ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegt, erfordert vielmehr eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und eine umfassende Abwägung der gegenseitigen Belange (Anschluss an Senatsurteil vom 29. 3. 2017 – VIII ZR 45/16, ZfIR 2017, 489 (m. Bespr. Brändle, S. 483) – in diesem Heft, Rz. 35). Auch ein von einem Vermieter verfolgtes gemeinnütziges, vornehmlich ein karitatives, Nutzungsinter-ZfIR 2017, 510esse kann im Einzelfall ein Gewicht erreichen, das es rechtfertigt, trotz der hiermit für den Mieter verbundenen Nachteile dem Erlangungsinteresse des Vermieters den Vorzug zu geben.
3. Bei der gebotenen Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass sowohl die Rechtsposition des Vermieters als auch das vom Vermieter abgeleitete Besitzrecht des Mieters von der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt sind (im Anschluss an Senatsurt. v. 29. 3. 2017 – VIII ZR 45/16, ZfIR 2017, 489 (m. Bespr. Brändle, S. 483) – in diesem Heft, Rz. 25; BVerfGE 89, 1, 6 ff.; BVerfG, NJW 2000, 2658, 2659; NJW-RR 2004, 440, 441; NZM 2011, 479, Rz. 29). Vom Schutzbereich der verfassungsrechtlich verbürgten Eigentumsgarantie des Vermieters ist dabei nicht nur dessen Wunsch erfasst, die Wohnung zu privaten Zwecken zu nutzen, sondern auch dessen Absicht, sie für andere Vorhaben, insbesondere für eine wirtschaftliche Betätigung, zu verwenden (im Anschluss an BVerfGE 79, 283, 289 [„Grundlage privater und unternehmerischer Initiative“]; BVerfG, NJW 1998, 2662 [„wirtschaftliche Betätigung“]).
4. Bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen im Rahmen der Beurteilung, ob ein berechtigtes Interesse für die Kündigung vorliegt, sind im Hinblick auf die vom Gesetzgeber eigens geschaffene Härteregelung des § 574 BGB auf Seiten des Mieters allerdings – im Gegensatz zu den Vermieterinteressen, die vollständig einzufließen haben – (nur) die unabhängig von seiner konkreten Situation bestehenden Belange in die Abwägung einzustellen, also das generell bestehende Interesse, die Wohnung und damit den Lebensmittelpunkt nicht zu verlieren und nicht mit den unbeträchtlichen Kosten und anderen erheblichen Unzuträglichkeiten belastet zu werden, die ein Wohnungswechsel in der Regel mit sich bringt. Die besonderen Belange des Mieters im Einzelfall (individuelle Härte) sind erst auf Widerspruch des Mieters im Rahmen der Beurteilung, ob der Mieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen kann, zu berücksichtigen (im Anschluss an Senatsurt. v. 29. 3. 2017 – VIII ZR 45/16, ZfIR 2017, 489 (m. Bespr. Brändle, S. 483) – in diesem Heft, Rz. 49 m. w. N.).
5. Auch wenn sich allgemein verbindliche Betrachtungen hinsichtlich der vorzunehmenden Einzelfallabwägung verbieten, ist zu beachten, dass die typisierten Regeltatbestände des § 573 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 BGB einen ersten Anhalt für die erforderliche Interessenbewertung und -abwägung geben. Die Anforderungen an das Vorliegen eines berechtigten Erlangungsinteresses des Vermieters hängen daher davon ab, ob der geltend gemachte Kündigungsgrund eine größere Nähe zum Eigenbedarfstatbestand oder zum Tatbestand der Verwertungskündigung aufweist (im Anschluss an Senatsurt. v. 29. 3. 2017 – VIII ZR 45/16, ZfIR 2017, 489 (m. Bespr. Brändle, S. 483) – in diesem Heft, Rz. 38 ff.).

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